So viel Blut

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So viel Blut
Medium:Profil, S. 36
Datum:14.07.2008

Affäre. Ein Psychiater des Grazer LKH wurde vom Dienst enthoben, weil er psychisch Kranken unerlaubt große Mengen Blut abgenommen und dubiose „Studien" betrieben haben soll. Dem Opus-Dei-Mitglied wird auch eine Nähe zu Exorzismus und Schwulenheilern nachgesagt.

Von Emil Bobi


Dass der Teufel das Weihwasser hasst, ist eine Schwäche, die für ihn selbst gefährlich werden kann. Es macht ihn angreif-, vielleicht gar besiegbar. Raphael B. weiß das. Und so wusste er sofort, was zu tun war, als er von einer psychisch erkrankten Frau konsultiert wurde, die glaubte, vom Teufel besessen zu sein. Sein Therapievorschlag: „Lassen Sie Ihr Neugeborenes taufen." Raphael B. ist kein Priester, sondern Arzt, genauer: Psychiater am LKH Univ.-Klinikum Graz. Und er ist Mitglied der ultrakonservativen Sekte Opus Dei und als solcher ein „Krieger Gottes". Viele seiner Psychiater-Kollegen tuschelten seit Langem: Was haben exorzistische Methoden in der wissenschaftlichen Medizin verloren?

Am Freitag, dem 27. Juni, wurde B. von der ärztlichen Direktion des Klinikums mitgeteilt, dass er wegen „schwer wiegender Vorwürfe mit sofortiger Wirkung von allen Dienstpflichten freigestellt" wird. B. darf nicht einmal mehr sein Büro betreten. Sein Schreibtisch wurde verplombt, Studienunterlagen beschlagnahmt. Gernot Brunner, seit 1. Juli ärztlicher Direktor des Hauses, bestätigt: B.s Vorgesetzter, Hans-Peter Kapfhammer, Vorstand der psychiatrischen Klinik, habe ein Schriftstück mit schweren Vorwürfen gegen B. vorgelegt, die die Dienstenthebung notwendig gemacht hätten. Brunner: „Es gilt die Unschuldsvermutung in alle Richtungen. Die Maßnahme dient der Sicherheit des Beschuldigten bis zur Klärung der Vorwürfe, aber auch der Sicherheit der Patienten und der Institution." Eine interne Untersuchungskommission sei eingesetzt worden. Details wollte Brunner keine verraten. Die waren an anderen Stellen der Grazer „Psychiatrischen" zu erfahren: Der Hauptvorwurf gegen B. betrifft nicht die angeblichen „teufelsmedizinischen" Praktiken, sondern „eine ganz schwer wiegende Verletzung von Patientenrechten, die besonders problematisch ist, weil es sich um psychisch Erkrankte handelt" (ein Mitglied der Untersuchungskommission). B. habe über Monate hinweg einer noch nicht eruierten Anzahl von depressiven oder schizophrenen Patienten bis zu 15 Röhrchen Blut abgenommen, ohne sie über den Grund zu informieren oder um ihr Einverständnis zu fragen. 15 Röhren sind ein Vielfaches einer „normalen" Blutabnahme. Und B. habe diese „Studie" auch der Ethikkommission nicht gemeldet. Was B. mit dem vielen Patientenblut eigentlich gemacht hat, ist bislang ungeklärt. Raphael B. war trotz engagierter Versuche für profil nicht erreichbar.

Zur Definition.

Erstens: Eine Blutabnahme über das normale Maß hinaus ist eine Studie. Zweitens: Ausnahmslos jede Studie benötigt das Votum der Ethikkommission. Die unerlaubte Blutabnahme „über das normale Maß hinaus" stelle normalerweise eine „leichte Körperverletzung" dar. Man werde jedenfalls alle Betroffenen aufklären und sie auch über etwaige Schadenersatzansprüche informieren, heißt es in Graz.

Mitte Juni dieses Jahres war es nach einer längeren Zeit der „atmosphärischen Spannungen" zum offenen Konflikt gekommen. B. wird vorgeworfen, im Juni auf Urlaub gegangen zu sein, ohne seine Abteilung darauf vorbereitet und für Vertretungen gesorgt zu haben. Einem Mitarbeiter platzte der Kragen, und er ließ seinem lange aufgestauten Frust freien Lauf. Damit brachte er „einen Damm zu brechen: Acht weitere Kollegen machten es ihm nach und verfassten in Anwesenheit von Klimkvorstand Kapfhammer ein fünf Seiten umfassendes Dossier mit Vorwürfen gegen B.

Er habe gegenüber Mitarbeitern behauptet, der Genehmigungsantrag für seine „Studie" liege bei der Ethikkommission, „der Chef (Kapfhammer) wisse davon. Alles unwahr, wird jetzt versichert. Wahr sei, dass Kapfhammer B. aufgefordert habe, diese seltsamen Blutabnahmen einzustellen, doch B. habe das ignoriert und weitergemacht. Daraufhin sah sich Kapfhammer gezwungen zu reagieren.

Unter Beobachtung.

Psychiater und Opus-Dei-Mitglied B. war seit Oktober 2007 unter Beobachtung gestanden. Da hatte er in Graz einen Kongress organisiert, der sich mit Grenzbereichen zwischen Psychiatrie und Religion beschäftigte. Dazu hatte er auch Exorzisten und „Schwulenheiler" eingeladen (profil 37/07). B. räumte damals im Gespräch mit profil ein, manche seiner Patienten „auf eigenen Wunsch" auch an einen deutschen Schwulenheiler weitervermittelt zu haben. In einer schriftlichen Stellungnahme rechtfertigte er die Einladung dieser Personen. B. sagte zum Thema „Schwulenheiler", er distanziere sich von Zwangstherapien oder Diskriminierungen von Homosexuellen, er lasse sich eine wissenschaftliche Diskussion aber nicht verbieten. Über Exorzismus sagte er: „Wir halten die Kongressteilnehmer für mündig genug, sich selbst eine Meinung zu bilden." Nach dem profil-Bericht kam es zu heftigen Reaktionen. Mehrere Vortragende wurden ausgeladen oder zogen ihre Zusage zurück. Und ein Sprecher des Landes Steiermark, Dienstgeber von Psychiater B., sagte, man werde „ab jetzt ein Auge auf ihn werfen".