Brief an L

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Lieber L. ! (Wenn ich das nach zwanzig Jahren noch so sagen darf)

Ich würde es für Feigheit halten, das nicht zu sagen, was ich für gut und richtig halte, auch wenn es ungelegen kommt oder ich Dir damit Schwierigkeiten mache oder ich damit vielleicht einen Streit beginne. Ich hatte in Wien mit Freunden Deiner Familie zu tun, und so kam ich auf die Idee, mit Dir Kontakt aufzunehmen.

Wenn ich mich früher mit ganzer Kraft dafür eingesetzt habe, dass das Opus Dei in Österreich Wurzeln schlägt, so engagiere ich mich jetzt dafür, dass diese Wurzeln nicht vergiftet sind. Da man als Mitglied des Werkes ja nicht wirklich informiert wird, was man ist oder tut, und da es oft auch die eigenen Vorgesetzten nicht wissen, und da man außerdem systematisch von den anderen Gruppierungen der Kirche ferngehalten wird, merkt man zwar irgendwie, dass hier etwas nicht stimmen kann, aber man kommt ein halbes Leben lang nicht drauf, was es ist.

Ich könnte jetzt versuchen, Dir in Kürze einige Thesen zu schreiben - kurz, weil ich weiß, was ein Numerarier alles zu tun hat und weil ich auch irgendwie ahne, wie der Tag eines praktischen Arztes aussieht - , aber ich glaube, dass es dann nicht wirklich bei Dir ankommt. Natürlich könnte ich Dir schreiben: Escrivá/Escriba war ein von seiner Mama verwöhnter Psychopath, der sich durch ein Leben in Luxus für seine armselige Kindheit entschädigen wollte, der wegen der prekären finanziellen Lage seiner Eltern nur als Theologe Akademiker werden konnte und aus der Not eine Tugend gemacht hat, dass er in Alvaro einen willfährigen Politsekretär gefunden hat und dass der von Johannes Paul II. ungeprüft alle Wünsche erfüllt bekommen hat; dass das Werk de facto keine Personalprälatur sein kann, und wenn, dass nur die Kleriker "echte" Mitglieder sein können - "laici cooperari possunt" - und dass die Laien viel, viel Geld verdienen müssen und dass man ihnen nur deshalb sagt, dass sie keine Mönche seien...

Vieles wäre zu klären.

Wenn Du willst, schreib mir irgendwann in Ruhe zurück - aber schreib mir bitte nur das, was auch wirklich von Dir kommt, ich brauche nicht den Absud eines zweiundzwanzigjährigen "Direktors" aus Bilbao. Wenn Du Dich nicht rührst, weiß ich, dass Du noch nicht so weit bist. Was ist aber sicher weiß, ist, dass ein praktizierender Katholik, ein g´standener Mann und Akademiker, der sich in Ruhe über das informiert, was das Opus Dei laut seiner approbierten Verfassung sein sollte und was es de facto ist, sofort - Aussprache und Gehorsam hin oder her - den nächsten Flieger nach Rom nehmen und die Bischofskongregation über all diese himmelschreienden Ungereimtheiten und Lügen informieren müsste.

Du siehst, ich kann es nicht lassen, Berufungskrisen in jungen Menschen zu wecken... ;) Denn jung bist Du - Dein Leben hat noch kaum begonnen, und die Tiefkühltruhe des Werkes hält merkwürdigerweise erstaunlich frisch.

Lass Dir nichts mehr gefallen.

Bleib am Leben.

Und nütze die halben Stunden des Gebetes, um über Deine Beziehung zu Gott nachzudenken - und das ist eine Intimität, die keine "Leiter" etwas angeht, denn das, was das Opus macht, hat mit der "geistlichen Leitung", wie sie in der Kirche gepflegt wird, gerade einmal den Namen gemeinsam und ist nur ein frivoles, intrigantes Aushorchen der eigenen Gläubigen abseits des Beichtsiegels..

Und wenn Du gehen willst und ein Auto brauchst, um Dich abzuholen, werde ich da sein.

Alles Gute; ich denke an Dich.

Dein Weg der Hingabe in einer Form, wie sie vom Heiligen Stuhl niemals approbiert wurde (denn sie wissen nur das, was in den Statuten steht, und der Protest vieler spanischer Bischöfe, die das Werk ja doch wohl am besten kennen müssten, blieb 1982 ungehört), ist eine Sache; die Entscheidung darüber, ob Du ihn weitergehst, ist Deine heiligste, intimste Gewissensentscheidung, und da hat Dir niemand dreinzureden.

Lass Dir auch nicht einreden, dass wir gegen die Kirche kämpfen oder dass wir vom Teufel besessen sind; Michael, der mit mir gemein Assoziierter war, ist immerhin seit 20. Jänner 2008 Priester. Zu guter Letzt möchte ich Dich wissen lassen, dass ich eine neue Homepage mitbetreue, die der Sache und der Kirche dienen soll; und immerhin habe ich die Kühnheit und die "wilde Aufrichtigkeit" im Werk gelernt. Mit herzlichen Grüßen

Dietmar